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Projektstudie: Internet-Styleguide

Schreiben für die Leser

Vorbemerkung

Berühmt ist die scherzhafte Antwort eines Wissenschaftlers auf die Journalistenfrage, wie ein guter Fachvortrag aufzubauen sei:

Ein Drittel sollte jeder verstehen, das zweite Drittel nur noch
die Experten und das letzte Drittel keiner mehr.

Dabei ist jedem, der es selbst schon versucht hat, klar, dass das erste Drittel die größten Anforderungen an den Vortragenden stellt.

Unverständlich oder verständlich?

Schopenhauer sagte:

Ein heutzutage immer häufiger werdender, jedoch nur in Deutschland einheimischer Fehler des Stils ist die Subjektivität desselben. Sie besteht darin, dass es dem Schreiber genügt, selbst zu wissen, was er meint und will: Der Leser mag sehen, wie er dahinter kommt.

Wer kennt sie nicht: Mehrfach verschachtelte Bandwurmsätze, bei denen der Leser auf halber Strecke entkräftet aufgibt, oder Beschreibungen, übersät mit nicht erklärten Fremdwörtern, Anglizismen, Fachbegriffen und Abkürzungen, oder Texte, die ebenso wortgewaltig wie inhaltsleer sind? Diese Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Allen Beispielen ist gemein, dass sie die Leser sehr beanspruchen.

Wenn aber ein Leser nicht beansprucht werden will – das dürfte der Normalfall sein –, wird er sich von einem solchen Text abwenden.
Damit hat der Text seinen Zweck verfehlt.

Was ist zu tun, damit unsere Texte gelesen werden? Dazu müssen wir wissen:

Die Antworten darauf bestimmen die Sprache, in der wir uns ausdrücken sollen.

Für sehr viele Anbieter ist jeder Internetnutzer ein potenzieller Kunde. Das Webangebot eines Anbieters richtet sich also überwiegend an Personen mit völlig unterschiedlichen Vorkenntnissen, unterschiedlichen Eigenschaften, unterschiedlicher Ausbildung usw. Ebenso unterschiedlich ist die Neigung, sich mit einem Webangebot zu befassen. Diese Neigung hängt zusätzlich noch davon ab, ob ein Internetnutzer ein bestimmtes Ziel verfolgt oder ob er das Web ziellos durchstöbert.

Ein möglichst großes Publikum errreichen wir, wenn unsere Texte auch für Laien leicht lesbar und verständlich sind (einfache Sprache) und auch bei einem ziellosen Surfer Interesse wecken können (anregende Sprache). Dabei bedeutet eine einfache und anregende Sprache keinesfalls, kindlich und banal zu schreiben. Dies zeigt das Beispiel im folgenden Abschnitt.

 

Wie hätten Sie’s gerne?

Die folgenden Texte sind dem Buch »Barrierefreies Webdesign« von Angie Radtke und Dr. Michael Charlier entnommen. Die dazugehörende Web-seite „www.bad-seendorf.de“ gibt es leider nicht mehr.

So?
Der demografische Wandel macht es erforderlich, dass die Interessen der älteren Menschen verstärkt wahrgenommen werden müssen. Dafür ist es wichtig, sie aktiv an den kommunalen Entscheidungsprozessen zu betei-ligen. Eine Chance bietet sich durch die Einbeziehung der Fähigkeiten und Kompetenzen der älteren Bürgerinnen und Bürger, vertreten durch den Seniorenbeirat von Bad Seendorf als Sprachrohr der älteren Generation. Selbständig und unabhängig von politischen Parteien soll der Senioren-beirat bei der Planung und Verwirklichung von Angeboten für Ältere konstruktiv von den kommunalen Gremien und der Verwaltung beteiligt werden.

Oder lieber so?
Ältere Menschen wollen heute mitbestimmen, wenn über ihre Angelegen-heiten beraten wird. Dafür hat Bad Seendorf einen Seniorenbeirat geschaffen. Die nächsten Wahlen sind im kommenden Herbst.

Im Seniorenbeirat können Menschen ab 60 Jahren mitreden, wenn es um Angebote und Leistungen der Stadt für sie geht. Aus jedem Stadtbezirk wird ein älterer Mitbürger oder eine ältere Mitbürgerin in den Beirat gewählt. Für jeden gibt es auch einen Stellvertreter, aber nur einer kann abstimmen. Partei und Religion spielen in dem Rat keine Rolle. Alle sollen ihre Erfahrungen und Kenntnisse einbringen können. Wenn Sie mitmachen wollen, rufen Sie Frau Krawutnik an oder schreiben Sie uns: (Adresse)

 

Ist das Alles?

So wichtig der Sprachstil ist; er alleine garantiert nicht, dass Texte leicht lesbar und verständlich sind. Ebenso große Bedeutung hat korrekte Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung. Es sollte selbstverständlich sein, dass jeder Text den Regeln der deutschen Schriftsprache entspricht.
Schon ein fehlendes Komma kann einem Satz eine völlig andere Bedeutung geben:

„Heute kochen wir, Mama.“
„Heute kochen wir Mama.“