Barrierefreiheit
Was ist Barrierefreiheit?
In § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) ist Barrierefreiheit wie folgt definiert:
Barrierefrei sind … Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen … sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in
der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Übertragen auf das Design von Webseiten bedeutet dies: Inhalte und Interaktionen sollen so gestaltet sein, dass sie möglichst
- für alle Nutzergruppen zugänglich und
- mit jeder technischen Ausstattung nutzbar sind.
Diese Anforderung hat zwar ihren Ursprung im BGG; die Beispiele im folgenden Abschnitt zeigen jedoch, dass eigentlich jeder Internetnutzer vor Barrieren stehen kann. Es mag für den Einen leichter, für den Anderen schwerer oder sogar unmöglich sein, solche Hürden zu überwinden: Störend sind sie für Alle.
Was sind Barrieren im Web?
Hier ist beispielhaft beschrieben, welche Nutzergruppen vor welchen Barrieren stehen können.
Nutzer alternativer Ausgabemedien
Die Anzeige auf einem Monitor in grafischen Browsern wie Google Chrome, Firefox und dem Internet Explorer ist wahrscheinlich die bekannteste Art, Webinhalte auszugeben. Es gibt aber noch eine Reihe anderer Möglich-keiten wie z. B.:
- Internetfähige Mobiltelefone
- Kompakte tragbare Computer wie z. B. PDAs
- Reine Textbrowser, z. B. Lynx
- Screenreader (Sprachausgabe)
- Braillezeile (Ausgabe in Blindenschrift)
So unterschiedlich die dahinter stehenden Techniken sind, so unter-schiedlich ist auch deren Umgang mit Webinhalten. Ungültige Quelltexte, veraltete Techniken, Layout-Tabellen usw. verhindern in den meisten Fällen, dass ein Webangebot mit alternativen Ausgabemedien sinnvoll genutzt werden kann.
Gruppe 50+
Laut Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes waren bereits im Jahr 2002 knapp 30 Millionen Einwohner Deutschlands über 50 Jahre alt. Die Tendenz ist nach wie vor steigend.
Viele ältere Menschen haben eine allgemein reduzierte Leistungsfähigkeit.
Das Sehvermögen kann bereits ab einem Alter von 40 Jahren nachlassen
(Altersweitsichtigkeit). Ab etwa 60 Jahren kann es Einbußen in der
Fein-motorik und damit Schwierigkeiten bei der Bedienung der Maus geben.
Die Fähigkeiten zu hören, sich zu konzentrieren oder Neues zu lernen,
können mit zunehmendem Alter ebenfalls beeinträchtigt sein. Schwierigkeiten
mit dem Gedächtnis und der intellektuellen Verarbeitung von Informationen
können hinzu kommen.
Zu kleine, nicht skalierbare Schriften, zu wenig Kontrast, unklare oder fehlende Strukturierung von Webseiten sind nur einige Beispiele von Barrieren, von denen diese Gruppe betroffen ist.
Menschen mit Sehbehinderungen
Kurz- und (Alters-)Weitsichtigkeit, Blendempfindlichkeit, Farbenblindheit, eingeschränktes Gesichtsfeld bis hin zum »Tunnelblick«, grauer oder grüner Star, Horn- und Netzhauterkrankungen, Blindheit usw. – die möglichen Beeinträchtigungen der Sehfähigkeit sind sehr vielfältig.
Ebenso vielfältig sind die Anforderungen der Menschen, die von einer Sehbehinderung betroffen sind. Beispielsweise würden Altersweitsichtige vielleicht große Schrift auf leicht getöntem Hintergrund bevorzugen, wogegen ein »Tunnelblicker« kleinste gelbe Schrift auf dunkelblauem Hintergrund benötigen könnte.
Auch diese Nutzergruppe steht vor Barrieren, wenn Kontraste zu gering oder Schriften nicht skalierbar sind oder wenn das Layout nicht mitskaliert und Texte somit den Rahmen sprengen.
Menschen mit anderen Behinderungen
Für Menschen mit Lernbehinderungen, für Legastheniker, Analphabeten, Gehörlose und Fremdsprachler bestehen die Barrieren z. B. aus einer schwer durchschaubaren Navigation und aus langen, unstrukturierten Texten mit langen Sätzen und schwierigen Wörtern (Fremd- und Kunst-wörter, Anglizismen usw.).
Menschen mit motorischen Behinderungen benötigen spezielle technische
Hilfsmittel, um einen Computer z. B.
mit dem Mund, dem Fuß oder den Augen bedienen zu können. Unklare Strukturen,
unlogischer Aufbau, zu kleine Navigationselemente und mausgesteuerte Ereignisse
stehen hier als Barrieren im Weg.
Zu kleine Bedienelemente mit zu
geringen Abständen sind im Übrigen auch für Menschen problematisch, die
sich völlig unbehindert fühlen. Wenn die Präzisionsmotorik eines Feinmechanikers
erforderlich ist, um ein solches Bedienelement zu treffen, ist dies für
fast jeden Nutzer eine Barriere.
Bilanz
Manche Barrieren sind so hoch, dass sie bestimmte Besucher völlig ausschließen (Zugangsblockaden). Davon sind auch Besucher betroffen, die keine exotischen Clients oder Konfigurationen einsetzen. Andere Barrieren erschweren den Zugang »nur«, was aber Anlass genug sein kann, ein Webangebot sofort wieder zu verlassen.
Barrierefreiheit nützt Allen
An den genannten Beispiele wird deutlich geworden sein, dass im Prinzip alle Internetnutzer von barrierefreiem Webdesign profitieren.
Für den Anbieter eines barrierefreien Webauftritts besteht der wichtigste Nutzen darin, dass sein Angebot für ein möglichst großes Publikum zugänglich und nutzbar ist.
Barrierefreiheit oder Barrierearmut?
Barrierefreiheit im Wortsinn bedeutet, dass Webseiten für Jeden ohne Ausnahme zugänglich und nutzbar sein sollen. Die technische Vielfalt der Browser und Ausgabegeräte setzt hier jedoch ebenso Grenzen wie die vielfältigen Anforderungen der verschiedenen Nutzergruppen. Das Ziel soll deshalb Barrierearmut sein; das heißt, dass Barrieren auf das absolute Minimum verringert werden, das mit vertretbarem Aufwand erreichbar ist.
Der wichtigste (aufwandsneutrale!) Schritt hin zur Barrierearmut ist bereits getan, wenn Webseiten nach geltenden Richtlinien, Normen und Standards erstellt werden. Ebenso aufwandsneutral ist es, beim Design die Erkenntnisse aus der Wahrnehmungs- und der Gestaltpsychologie zu berücksichtigen.
Wenn dann noch die Inhalte des Webauftritts leserfreundlich geschrieben werden, ist schon viel für Barrierearmut getan.